01Mai
2024

Mit der schwäb'sche Eisebahne...

Zu nachtschlafender Zeit klingelt der Wecker um 4:30 Uhr. Die gestern vorbereitete Kaffeemaschine, das Lebenselixier für den Start in den Start, bringe ich schnell zum Blubbern und stelle mich unter die Dusche und kaum dass ich fertig bin, kann ich den Kaffee holen. Ich nehme mir auch eine Extraportion in meinem Kaffeebecher mit, das ist purer Luxus, muss aber sein.

Christoph hat gestern Abend noch für unsere Verpflegung gesorgt, die alle Reste aus dem Kühlschrank zu zwei Salaten vereint. Wir auch eingepackt; die Fahrräder stehen schon im Schuppen und sind mit den Packtaschen versehen, nur die Lenkertasche mit den Wertsachen muss noch ran. 

 

Um die S8 nach Frankfurt Flughafen um 5:36 Uhr zu erreichen, starten wir bei uns fünf Minuten vor halb. Welches Glück, dass die Aufzüge funktionieren, das erspart uns den ersten Schweißausbruch.

Mal wieder überrascht mich das Leben: ich gebe zu, dass ich nicht oft um diese Uhrzeit in S-Bahnen zu finden bin, und mir also eigentlich gar keine Vorstellung von dem Betrieb zu dieser Uhrzeit machen kann, aber eine Idee hatte ich schon, wie leer das wohl sein würde.
Weit gefehlt: ein gegenüber sitzender Amerikaner (zumindest dem Slang nach) telefonierte mit seiner Liebsten; ein Dame mit (Schoß-) Hund fiel mir auf und allerlei andere Personen. Also das Leben hatte an diesem Tag schon begonnen oder war noch vom Tag zuvor im Gange. Wie auch immer.

Am Frankfurter Flughafen mussten wir vom Regionalbahnhof zum Fernbahnhof wechseln und hatten dafür ausreichend Zeit und somit keine Hektik. Der ICE 511 nach München Hbf (Abfahrt 6:51) über Stuttgart trudelte pünktlich (!) ein und im letzten Wagen war unser Abteil für die Fahrradmitnahme. Einige Stufen beim Einstieg waren zu überwinden, mit den Packtaschen am Rad nicht ideal für einen Zutritt, aber machbar. Die für uns reservierten Radplätze wären bei Vollbelegung kaum nutzbar gewesen, insbesondere wenn man so „dicke Schlappen“ auf dem Reifen hat, wie Christoph.

In Sichtweite

 

uu den Rädern nahmen wir unsere Plätze ein und kaum hatten wir es uns gemütlich gemacht, waren wir auch schon in Stuttgart – das war echt flott. [Hätte man natürlich auch wissen können, wenn man sich die Zugzeiten ansieht.]

Um 08:08 Uhr war am Stuttgarter Bahnhof zwar schon was los, dennoch trauten wir uns doch am Gleis auf die Räder zu steigen und vorsichtig gen Ausgang zu fahren. Okay, das heimste uns einen kleinen Anpfiff vom rot-bekappten Bahnhofsvorsteher ein. Absteigen, außer seiner Sichtweite, wieder aufsteigen; ganz so wie in jungen Jahren.

Und Stuttgart präsentierte sich dann auf eine ganz feine Weise: durch große Parkanlagen mit vielen Spielplätzen und Plätzen zum Verweilen, mit Vogelgelkreische und -gezwitscher haben wir die Stadt durchquert, sind durch einen Skaterpark unter einer Brücke geradelt, (BILD) immer Richtung Heilbronn. Komoot hat wieder ganze Arbeit geleistet, aber ohne Christophs pfiffigen Ideen kommt es dann eben doch nicht aus 😊

Am Neckar entlang, der noch friedlich in der Morgendämmerung dahinzieht, entlang der steilen Weinberge der unterschiedlichen Winzer.

Das Neckartal bietet herrliche Ausflugsmöglichkeiten und ist mit seiner Natur und dem von Menschen angelegten Neckar-Biotop Zugwiesen ein grandiosen Ort für Hobbyfotografen. 

 

Aber es war nur die Ruhe vor dem Sturm: Menschenmassen kamen uns mit Bollerwagen und bis an die Zähne mit Alkohol „bewaffnet“. Ähnliche Bilder, wie wir sie vielleicht vom Vatertag kennen. Erschreckt hat mich die vielen jungen Jungs (11-15 Jahre), die schon um 12:00 Uhr mittags über die Wege torkelten. Wollen wir hoffen, dass sie gute Begleitungen hatten, die auf sie aufpassen. Uns sind sicher 2000 Menschen entgegengekommen bzw. mit uns mit dem Strom gefahren. Ältere e-Biker machen mir echt Sorgen – für sie bräuchte man bei diesen Herausforderungen auf dem Rad- und Spazierweg wirklich Bremslichter. Ein Mann ist vor Christoph einfach abgesprungen vom Rad, das hat zwar ein kleines Mädchen „gerettet“, aber Christoph musste richtig „in die Eisen gehen“ und ich auch. Also genaugenommen drohte eine Massenkarambolage!!!

 

Unsere Mittagspause mit Spargelsalat, Tomaten-Mozzarella-Bohnen-Salat sowie Hühnchenschenkel, machten wir in der Höhe von Lauff am Neckar. Zwei Bänke luden uns ein, Platz zu nehmen und eine Familie vor war damit beschäftigt, ihren Katamaran aufzubauen – es versprach also nicht langweilig zu werden. Wurde es auch nicht. Dem frühen Aufstehen geschuldet, sind wir beide dann kurz im Sitzen eingenickt….und die Familie war immer noch nicht fertig. Das Unterhaltungsprogramm hatten wir uns anders vorgestellt und so haben wir Weiterfahrt angetreten. Nur noch 32 km bis zum Ziel, das geht auf einer A-B..ke!

Die Jugendherberge in Heilbronn erreichten wir bereits um kurz nach 15:00 Uhr. Seit einigen Jahren sind wir Mitglied im DHV. Die Hoffnung, solche Touren auch mal mit den Kindern zu machen, blieb eine solche aus unterschiedlichsten Gründen. Den Verein an sich aber weiter – auch bei nicht-Nutzung – zu unterstützen war uns ein Anliegen. Christoph hat auf seinen Touren nun schon öfter in Jugendherbergen genächtigt und ich war gespannt, wie modern alles geworden ist. Ist es. Vor allem dann, wenn man mit Modernität Sichtbeton-Bauweise verbindet und deutsch/englischsprachige Leitsysteme versteht. Aber auch die Möblierung und die Möglichkeit in kleineren Zimmereinheiten schlafen zu können.

Zum Abendessen um 18:00 Uhr gab es Wraps, die wir uns mit veganen protein- und pflanzenbasierten „pulled pork“ selbst zusammenstellen konnten. Eine tolle Salatbar rundete das Angebot ab. Ob der Schokopudding auch vegan war, war nicht zu erkennen.

Nach dem Essen haben wir noch einen Gang durch die Gemeinde gemacht und waren überrascht, dass Heilbronn noch eine ganz intakte Innenstadt vorzuweisen hat. Relativ wenig Leerstand, aber ganz ohne Nagelstudio oder 1€-Shop kommen sie auch hier nicht aus.

Hervorzuheben sind die tollen Grünanlagen, sehr liebevolll gepflegt und gut instand. Die Menschen strömen nach draußen, der Wunsch den Winter zu beenden, treibt alle vor die Türen. Wie schön, wie bunt, wie international. Schwäbisch hört man kaum. 

Diesen Bericht schreibe ich auf der Dachterasse der Jugendherberge im 6. OG bei einem Lemberger Rotwein. Christoph hat sich neben dem Glas Wein auch eine Zigarre gegönnt. Nun ist es 21.24 Uhr, Zeit zum Hochladen und Zubettgehen.