01August
2024

Grand malheur avec le coeur!

Christoph vermisst seine Blutdrucktabletten morgens. Er überlegt, seinen Arzt anzurufen, damit der ihm ein e-Rezept schickt und er dieses hier einlöst. Ich ermutige ihn nochmal genau zu suchen, es könne ja nicht sein, dass sie weg sind. 
Es gehört zu unserer täglichen Abreise-Routine, dass wir das Oberzelt abnehmen und das Zelt-Zelt von Gras und sonstigem "Unrat" ausschütteln. Wir waren auch gut in der Zeit, wollten früh los, damit wir bei weniger Hitze unterwegs sein können. Also nochmal auf die Suche gehen - und siehe da, hat sich gelohnt:

Natürlich hatte er vorher alle Taschen ausgeräumt, alles auf links gedreht. Das Blister hat sich beim Schütteln des Zeltes in eine obere Tasche eingenistet, die uns noch nicht bekannt war. Okay, entspannt weiter packen. Uff!

Um ca. 9:00 Uhr verließen den Campingplatz (geplant war so 7:30 Uhr), und nahmen noch ein französisches "petite dejeuner" am Ort zu uns.

Wie aus heiterem Himmel machte nun Lottchen (mein Rad, für alle, die den Namen noch nicht kennen), Spirenzen. Die Kette sprang, ohne dass ich geschaltet oder getreten hätte, aus den Ritzeln, also im Leerlauf, ohne jeglichen ersichtlichen Grund. Also zurück zum Campingplatz, um zu fragen wo der nächste Fahrradladen sei. Hm, keiner am Ort, der nächste erst in 35 km in Digoin - das war eh auf der Route. Aber würden Lotte und ich es bis dahin schaffen? Immerhin ließ die Strecke erwarten, dass ich nicht viel würden schalten müssen, da alles ziemlich flach sein sollte, wie uns ein junger Franzose verriet, der mit dem Rad tagszuvor von dort kam. Ein Lichtbick. Also habe ich meinem Radel-Pferd gut zugeredet, mich gleichzeitig damit selbst etwas beruhigt, und auf geht's! Ich denke an Bini's Reisesegen! 

Die Strecke war wirklich angenehm und schön zu fahren, wieder auf einer alten Bahntrasse, mit Gefälle von 1-2% und so waren wir nach 1,5 Std. flott im "Ort der Begierde" zum Fahrraddoktor. Der ließ sich nicht so einfach finden, aber Christoph gab nicht auf.
Der Monteur hat sich gut eine Stunde mit meinem Hinterrad und der Schaltung beschäftigt. Diagnose: Coeur = futsch, das Herzstück der Schaltung, die "Cassette", wie er sie nannte, sei kaputt. Auch könne er sie nicht reparieren, da er das Ersatzteil nicht hat. Auch der Kollege im Nachbarort hat es nicht und kann mir maximal ein neues Hinterrad mit komplett neuer Schaltung verkaufen. 
Er gab sich so viel Mühe, schaute an allen seinen Neurädern im Laden, ob er da nicht was ausbauen könne... aber nein, Christoph stoppte dann seine Bemühungen, nachdem er bestätigte, dass ich so weiter fahren könne - schlimmer würde es wohl nicht werden. Okay, volles Risiko! Er gab mir noch mit, stest zu kurbeln "pedaler, pedaler" - also weder den Rücktritt noch den Leerlauf zu benutzen, im Zweifel bremsen und weitertreten. Krieg' ich hin. 

Wieviel wir ihm schuldig seien beantworte er mit "schuldbewusst" 15€. So ein Schmarrn - er hatte sich sooo bemüht und er schien fast in seiner Ehre gekränkt, nicht in der Lage gewesen zu sein, Lotte zu reparieren. Wir waren dankbar für all' seine Versuche. "Kann mer mache nix, sacht de Hess'".

Weiter auf dem Euro Velo 6 führt der Kanal über die Loire - ein Meisterwerk der Ingenieurskunst und sehr eindrucksvoll anzusehen.

In der Kirche https://maps.app.goo.gl/qWns8ZhAYTq9EQkH6 in Parey-le-Monial findet eine Taufe statt, während wir sie besichtigen wollen. Interessant: an einem "stinknormalen" Wochentag. Das Bauwerk ist sehr beeindruckend, wie auch die vielen Schlösser und Gutshäuser, die wir immer wieder passieren oder aus der Ferne betrachten. 

In Palinges, unserem Ziel, gibt es auf der Speisekarte am Campingplatz "Fleisch vom heißen Stein" - ein gute Aussicht und unsere Küche bleibt mal kalt. Aber der Reihe nach:
In der kleinen Bäckerei holen wir uns noch ein Brot und können leider auch an den kleinen Törtchen nicht vorbei. Für diese "Boulangerie" gibt es tolle Rezensionen im Netz, wobei wir danach aber nie unsere Läden/Restaurants/etc. aussuchen - eher im Nachgang uns das ansehen.
Unser Zeltplatz grenzt an eine Viehweide und ein Esel durfte dort auch grasen. Er schien ein bedauernswerter Geselle zu sein, der schon sein Gnadengras frisst.

Der Platz ist erstaunlich gut, oder besser organisiert. Alles sauber. Wir wollten Wäsche waschen, leider war die Maschine erst anderweitig besetz, dann gab es kein Programm zur Auswahl, dass uns hätte anzeigen können, wie lange die Maschine braucht. Und wer kennt sie nicht, die längste Minute der Welt? Dass ist die vor der Maschine, bis sie endlich anhält, klickt und sich zum Öffnen bereit erklärt. Leider wurde es dadurch schon ein bisschen schattig für's Trocknen. Ärgerlich. Aber dann die Erkenntnis, dass die Platzbesitzer solche Probleme kennen und Wäscheständer bereitstellen, die man dann der Sonne mit der Wäsche drauf, hinterher tragen kann. Also es wurde alles noch fast trocken. 
Das Essen hat dann auch überzeugt, insbesondere das Konzept. An jedem Platz gab es Strom (im Preis inbegriffen), nutzbar ohne Adapterstecker (!) und einen Picknicktisch.  

In der Nacht hat es ordentlich gewittert und Christoph meinte am nächten Morgen, dass mein Gesicht von den Blitzen "madonnenhaft" erleuchtet wurde im Schlaf. Auf so einen Gedanken kann man schon mal kommen, wenn man an so vielen Kirchen und Klöstern vorbeikommt. Christoph hatte eine Erscheinung!